"Ich weiß auch nicht genau, was ich da mache. Aber es ist gut." (T.C. Boyle)
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Der Faxenmax - Mein erster Kontakt mit Weltliteratur


Ich als junges Mädchen.
Mein erstes Buch hieß „Der Faxenmax“ und handelte von einem fetten kleinen rothaarigen Jungen, der es nicht lassen konnte, dämliche Grimassen zu schneiden. Seine weise Oma, wohl eine Art modernes Hexenweib, ermahnte ihn: „Maxmaxmax, wenn die Uhr zwölf schlägt, bleibt Dein Gesicht so stehen.“

Klar, was dann passierte. Max musste mit einer grauenvoll verzerrten Visage herum laufen, heulte natürlich wie ein Waschweib, weil alle ihn auslachten, wurde dann aber von Oma gerettet, die ihm vorschlug, die Uhr auf den Kopf zu stellen und rückwärts laufen zu lassen. Das klappte. Und seitdem machte Max nienienienie wieder Faxen. Das merkte ich mir.

Meine Stiefgroßmutter und ihre falschen Zähne

Den „Faxenmax“ habe ich immer noch, mein erstes Märchenbuch, - „Und nun setzt Euch zu mir“ -, würde ich auch nicht raus rücken, da bin ich stur nostalgisch. Auf dem Cover: Eine tausendmal durchgefaltete rundliche Großmutter mit grauem Haardutt, fetter Lesebrille und Rüschenkragen mit aufgeschlagenem Märchenbuch auf ihren Knien. Damals dachte ich, dass die auch in natura so aussehen müssen. Weit gefehlt. Meine Stief-Großmutter (liebe Märchenfreunde, nomen est omen) ärgerte mich, indem sie mir unangekündigt ihr Gebiss unter die Nase hielt und mich zahnlos angrinste. Das war blanker Horror für mich; ich schrie wie am Spieß und, - na bitte, Genosse Freud -, vergessen hab ich das nie.

Die heutigen Omas gehen in die Disco

Vorgelesen hat sie mir recht selten, das war nicht weiter tragisch, lesen konnte und wollte ich eh schon sehr früh allein. Heutzutage ist diese Einstellung nicht mehr so arg modern. Für mich ein bescheidener Grund, mir leichte Sorgen zu machen um die Kinder, die ich nicht habe. Deren Omas blondieren ihre Haare, tragen Lackröckchen und Bauchfrei-Tops (sollten 99 % der weiblichen Bevölkerung, ungeachtet des Alters, eh nicht tun) und gehen mit den Freunden ihrer Enkelinnen in die Disco. Oder in Swinger-Clubs.

Sagen auch gern mal „mich“ statt „mir“, „ey watten“ statt „bitte“ und „ich hau dir die Eier weg“ statt „nicht in diesem Ton“, kippen sich einen hinter die Binde und sagen, befürchte ich, nienienieniemals zu den Kindern ihrer Kinder: „Und nun setzt Euch zu mir.“ Sei denn, sie wollen einen Joint kreisen lassen, dann hockt sich auch Großvater mit Lederwestchen und Minipli dazu. Und Mama nebst Papa? Tja…ist ja grundsätzlich meine Generation. Die sind also in meinem Alter und bekloppt. Wo haben die sich alle die letzten zwanzig Jahre versteckt, bis man sie aus ihren Löchern geholt hat? Eigentlich unfair. Heini Oberdepp, Susi Vollschlampe, Kalle Hirnlos und Jenny Kackiggeil sind urplötzlich Talkshow-Stars, und unsereins hat sich mit Mathematik für Linguisten das Hirn versengt. Wurde aber rechtzeitig gelöscht.

Über Adtrid Lindgren und Supermann

Geliebt habe ich „Astrid Lindgren erzählt“: Da gab’s den lahmen Peter, Stina mit dem Badetuch und den bitterbösen Tanten, dann noch „Klingt meine Linde, singt meine Nachtigall“. Eine recht schwierige Geschichte für Kinder, die ich aber problemlos wegstecken konnte, weil ich es als aufrichtig und edel empfand, sein Leben für eine klingende Linde und eine singende Nachtigall zu geben, um arme Leute fröhlich zu machen. Ich las auch die Götter- und Heldensagen, Hanni und Nanni, - Nanni mochte ich lieber, ich mag das H nicht -, und natürlich Fix & Foxi. Später dann Superman – „Is it a plane? A bird? No, it’s Superman! -, und natürlich weiß ich heute noch, dass er offiziell Kal-El heißt, von Krypton kommt und wundere mich selbst auf meine alten Tage darüber, dass niemand den vertrottelten Reporter Clark Kent geoutet hat, der Brille und keine Stirnlocke trug, aber ansonsten ein identisches Ei war. Mal ehrlich: Stelle man sich vor, der eigene Vater würde mit rotgefärbten Haaren und falschen Zähnen als Wonder-Boy über die Dächer flitzen…Mensch, den würden wir doch erkennen, da würden wir doch „Papa? Duuu? Denk an Deine kaputten Knie!“ brüllen.

Meine Cousine Cornelia

Meine Cousine Cornelia war, was das Denken und Lesen und darüber wieder Nachdenken und wieder was Lesen betrifft, deutlich desinteressierter. Im Spiel- und Nähzimmer in Haltern stapelten sich Kataloge und von ihrer Mutter ausrangierte Frauenzeitschriften, - Cornelia schnitt die Bilder aus und klebte sie auf Papier, da sah ich keinen Sinn drin -, also las ich die hirnrissigen Texte zu Fotos, die fehlten. Hauptsache, ich brauchte nicht zu reden. Ergo war ich „oll und langweilig“.

Jetzt spiel doch mal was!

Da war ich bereits neun, knapp zehn, und meine Eltern, ansonsten erfreut über meinen so früh erblühten literarischen Geschmack, - wer liest, quasselt nicht, das bedeutet Ruhe -, sahen sich gezwungen, mir im Beisein von Cornelias Eltern gute Ratschläge zu geben. „Lesen kannst Du noch später, jetzt mach’ doch mal was mit Cornelia.“ Da hatte ich mal wieder den Salat. „Mach’ doch mal was.“ Ha, die hatten gut reden: Ließen es sich bei Likör und Bier und Qualmen und oftmals hirnlosem Tratschen (jawohl, kritisch gegenüber Gesprächsinhalten zeigte ich mich bereits in jungen Jahren) so richtig gut gehen, und niemand quatschte denen rein und sagte: „Jetzt seid doch nicht so langweilig, spielt doch mal was.“

Mit mir konnte man es ja machen. Also holten wir unsere Barbies und zogen sie an und wieder aus und anders an und wieder aus, zu mehr reichte es bei Cornelia nicht, die keine sonderlich intellektuelle Begeisterung kannte und sich schon als Zwölfjährige mit Jungs herumtrieb. War ich ausnahmsweise mal dabei, stand ich völlig deppert und mit knallrotem Kopf neben mir und hätte mich am liebsten weg geblinzelt.

Jungs hielt ich damals für Aliens

Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits auf dem Mädchengymnasium und hielt Jungs für Aliens, nur dazu erdacht, mich verlegen und linkisch zu machen. Cornelia ging zur Hauptschule, zeigte mir ihren ersten Knutschfleck und dilettantisch verfasste Liebesbriefe, die danach schrien, von mir korrigiert zu werden. Das lehnte Cornelia ab, nannte mich „neidische Kuh“, was mich sauer machte, und schenkte mir ihre Barbie, weil: „Die will ich nicht mehr, spiel’ Du mal schön damit.“ Ich nahm sie, so, obwohl Cornelia ihr den Kopf geschoren hatte.

Und dann ging ich zur Uni


Als junge Frau war ich ein heißer Feger - wie man so sagt.
Sie hat dann recht früh geheiratet, während ich mich mit Mittelhochdeutsch an der Ruhr-Uni Bochum vergnügte und immer noch knallrot anlief, wenn ein Junge, egal, wie hässlich, mich länger als eine halbe Minute verdächtig anglotzte. Den monströsen Barbiekoffer, rechtmäßiger Besitz der drei Schwestern R., habe ich übrigens immer noch, so was wirft man ja nicht weg, da stecken nette Erinnerungen drin: Für meine beiden Schwestern durfte ich immer eine tolle Barbiegeschichte mit verteilten Rollen erfinden, - Anke übernahm gern den Part der pampigen Schotti, Daggi war die liebreizende Süßi -,bevor wir für die anstehende Inszenierung die Klamotten gerecht aufteilten. Das lief so ab: Lackmantel für Anke, Rüschenkleid für Daggi, Strickmini plus Rolli für mich, dann ging’s der Reihe nach von vorne los. Am Schluss zankten wir uns um die Schuhe und Handtaschen, die waren Mangelware, und daran scheiterte unser Projekt im Regelfall. Aber die Geschichten waren gut….wäre sie jemals von uns aufgeführt worden.

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Foto: Gottes kalte Gabe

Karin Reddemann

Gottes kalte Gabe

Ein totes Mädchen tanzt auf Gräbern und spielt Gott; Max Kellermann bekommt sein erstes gutes Gespräch und eine letzte Rose nach seinem großen Flug; Kurt dichtet über Zwerge … und Vater weint trocken, weil gestern eben gestern ist. Die Geschichten von Karin Reddemann lassen den Leser in ein Meer von Bildern und Worten tauchen, das herrlich ehrlich nach Salz schmeckt. Gottes kalte Gabe ist eine Auswahl an Short-Stories, in denen Leben passiert. Es macht manchmal atemlos, sie zu lesen.

Dr. Ronald Henss Verlag, 2006
ISBN 978-3-9809336-3-6

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