"Ich weiß auch nicht genau, was ich da mache. Aber es ist gut." (T.C. Boyle)
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Aufgeklärt

Ich begann sehr früh zu masturbieren. Wenn ich bäuchlings unter dem schweren Eichentisch im Zimmer meiner Mutter lag und meinen Unterkörper rhythmisch bewegte, während ich meine Lippen krampfhaft zusammenpresste, um ihr keinen verräterischen Laut zu gönnen, war ich glücklich. Zugleich schämte ich mich. Ich onanierte, ohne meine Hände zu gebrauchen, einfach nur, indem ich meinen Schwanz massieren ließ von der festen Wolle des Teppichs, die fast brutal durch meine Hose in meinen Unterleib zu stoßen schien.

Die handbestickte bodenlange Decke, die mich vor der, wie ich ängstlich vermutete, furchtbaren Strafe meiner Mutter bewahrte, bot mir den Schutz, den ich längst schon nicht mehr suche. Es bereitet mir Vergnügen, mich gezielt feuchten Blicken auszusetzen und meine besondere Moral mit fremden Gesichtern zu teilen, die mich auslecken und durchbohren dürfen.

Heute, so viele Jahre später, erstaunt es mich, dass mein junges Schamgefühl sich nie bemerkbar machte, wenn ich Roswithas linke Brust berührte, sie sanft massierte und ihre Knospe rieb, sie dann mit der Kuppe meines Daumens drückte, den ich zuvor mit meinem Speichel befeuchtet hatte, um ihre Aufmerksamkeit zu wecken. Ihre Brust zu streicheln erschien mir selbstverständlich, ich liebte es, sie mit meiner Hand zu bedecken und mit kreisenden Bewegungen versonnen ihre Rundung nachzuzeichnen, bei der es nichts hinzuzuträumen gab. Niemals kam mir der Gedanke, dass ihr meine Berührungen unangenehm hätten sein können, zu sehr war ich davon überzeugt, dass sie es liebte, so, wie es war.

Sie streckte mir ihre Brust entgegen, Engel und Hure zugleich, und ich nahm ihre Einladung an. Ihre Lippen blieben geschlossen, öffneten sich nur, wenn mein Kopf Bilder malte oder nach einem Drehbuch rotierte, das meiner Phantasie entsprungen war. Gleichsam, wie auch ihre dunkelrote fleischige Warze sich nur dann regte, wann immer meine Gedanken es ihr erlaubten. Ich hatte Ehrfurcht vor ihrem Gesicht, und ich wagte nur, es ganz vorsichtig mit meinen Lippen zu liebkosen, hauchte meine naiven Küsse und wagte kaum mehr, weil ihre violetten Lider gesenkt waren und mir den Blick in ihre Augen versperrten. Leblose Augen, die mich trotzdem hätten erstarren lassen in meinen Bewegungen, die mich verlegen und klein gemacht hätten.

Weit weniger respektvoll verhielt ich mich, wenn meine Finger vorsichtig und doch zielsicher den Weg nach unten fanden, in ihren pelzigen Schoß, unrasiert, was mich erregte, weil die kindliche Nacktheit zwischen den Schenkel einer Frau mir noch nicht bekannt war. Ich spielte mit den rotblonden Locken, drückte meine Nase dorthin, wo ihr Duft lebendig ist, roch ihre heiße Nässe und ließ meine Zunge tanzen auf ihrer vibrierenden Schwellung, ohne genau zu wissen, was ich da eigentlich machte.

Ich war nicht wirklich aufgeklärt worden. Meine Mutter nannte die Bilder meines Großvaters Ferkeleien. Tatsächlich waren es einfach nur nackte Frauen, wieder und wieder, die er mit recht passablem Ehrgeiz in der winzigen Dachkammer, die er sich als Atelier eingerichtet hatte, auf die Leinwand brachte. Er malte mit Ölfarben, die Proportionen stimmten nie so ganz, was mich auf seltsame Art rührt, wenn ich heute daran denke. Von seinen dilettantischen Akten, lustvoll von mir geliebt und, wenn ich mich heimlich in seine Kammer gestohlen hatte, unentdeckt beleckt von mir, war mir die rothaarige Roswitha am teuersten.

Sie zeigte nur die eine linke Brust, die rechte war von einem geblümten Schleier bedeckt, und sie saß kerzengerade mit geöffneten Beinen auf einem Schemel, so, dass ich ihr gleich zwei, drei Finger, gar die geballte Faust in das tropfende Loch mit den Locken stecken konnte. Dieser tollkühne Gedanke war mir noch lieb, als ich längst schon meine Hände gebrauchte und mir vorstellte, wie sie dabei an mir saugte, ihren Mund an mir riechen ließ und meinen milchigen Stolz schluckte.

Ich war sieben, als ich zum ersten Mal entdeckte, welch wundersame Technik zwischen meinen Beinen hängt. Ich liebte es, auf dem rauen Teppich unter dem Wohnzimmertisch hin und her zu robben, erst langsam, dann schneller, wobei zu meinem Erstaunen nicht mein Kopf das Tempo zu bestimmen schien, sondern dieses emsig zuckende Etwas in meiner Hose, das aus mir einen unkontrolliert zappelnden Fisch machte. Ich kannte seinen wahren Namen nicht, aber als ich gelernt hatte, mit ihm umzugehen, wie er es mochte und verlangte, war er mein geheimnisvoller Freund.

Ein Freund, von dem ich annahm, dass niemand sonst ihn hatte. Bis ich die Ferkeleien entdeckte, die mein um einige Jahre älterer Bruder Fred unter seiner Matratze stapelte. Die billigen Magazine meines Großvaters, Vorlagen für seine Bilder, die er großzügig und natürlich ohne Wissen meiner Mutter an den Mann in der Familie abgetreten hatte (meinem Vater hatte erstaunlich früh der Krebs den Magen zerfressen), blätterte ich mit recht ungewöhnlicher Sachlichkeit durch. Und selbst die nüchterne Erkenntnis, dass meine ganz besondere Freundschaft zu meinem Schwanz nicht so einmalig war, wie ich es annahm, trübte meine Freude an ihr bis heute nicht.

Aber sie bewirkte, dass ich den Teppich endgültig verließ, um in meinem Bett deutlich koordinierter agieren zu können. Es war auch höchste Zeit nach mittlerweile unzähligen Samenergüssen, die noch in meiner Unterhose auf dem Teppich unter unserem Sofa stattgefunden hatten. Mit der offiziellen Entledigung meiner Kleidung vor dem längst schon von mir durchorganisiertem Onanieren verabschiedete ich mich endgültig von vertrautem Territorium. Mein Leben unter der Couch war vorbei.

Ich war zum Mann geworden. Fast. Denn noch galt es, zumindest in der Theorie Herr der Lage zu werden, in der ich mich früher oder später, vermutlich mit dem Kopf zwischen zwei dicken warmen Brüsten steckend, befinden würde. Um dann, ohne hinsehen zu können, sozusagen blind mit meinem Schwanz die gewünschte Öffnung zu finden. Ich traute ihm diese Selbständigkeit einfach nicht zu, vermutete aber voller Panik, dass ich ihn nicht mit meinen Händen ganz selbstverständlich lenken könnte.

Manchmal betrachtete ich ihn nur, gewohnt zärtlich zwar, aber mit kummervoller Mine, während ich ihn rieb und wachsen ließ zu einer Größe, die mich selbst immer wieder beeindruckte. Stets verfehlte ich in meiner Vorstellung das Ziel. Ich litt wirklich, fand freilich auch in dieser belastenden Zeit Trost bei Roswitha, die ich mir bei meinem Großvater abgebettelt hatte und die ich unter meiner Schreibtischunterlage versteckt hielt, um sie vor meiner Mutter zu schützen.

Roswitha dankte es mir, indem sie ihre Beine noch weiter spreizte, ihre Finger in ihren Mund tunkte und an ihren Locken zupfte, die sie mit geschäumtem Speichel beträufelte und mit ihren Fingern teilte, um mich sanft und wild hineinrutschen zu lassen in das eine richtige Loch, das ich kannte. Ich ließ meine Zungenspitze um ihren dicken süßen Hügel kreisen und stellte mir vor, dass dort noch vier, fünf Männer hinter, neben ihr standen mit prall gefüllten aufgerichteten Schwänzen, wild wichsend wie seelenlose Fabelwesen, aus deren fetten Rohren Fontänen auf ihren Hals und ihre nackten Brüste traten, große, behaarte Männer, die sie nicht berühren, nur begießen durften.

Ich roch das frische Sperma auf ihrer Haut, das köstlich und süß roch, weil es mein eigenes war, und ich war zufrieden, wenn Roswitha sich mit ihrem Schleier gründlich die fremde Milch abwischte, bevor sie mit ihrem Kopf in meinen Schoß tauchte. Sie gehörte mir allein, und sie blieb trotz ihrer Gier darauf, sich mit mir zu füttern, unverdorben für mich.

Bis ich selbst eines Nachts übermütig auf ihr Gesicht spritzte. Ich erstarrte. Der weiße Brei in ihrem Haar und auf ihren Lidern war reell, und weil er jetzt zu ihr gehörte, widerte sie mich an. In dieser Nacht schämte ich mich zum letzten Mal wirklich. Dann war der Zauber vorbei. Ich hatte Roswitha entjungfert.

Meine eigene Entjungferung war so unspektakulär wie der Fall eines welken Blattes im Herbstwind. Bereits meine Finger hatten mir wie selbstverständlich den Weg gewiesen, und mein Schwanz benahm sich, als hätte er nie eine andere Fährte verfolgt. Es war recht schön. Ich kam zu schnell, was mir egal war. Sie war schon siebzehn und wohl recht erfahren, drei Jahre älter als ich. Sie sagte mir, beim nächsten Mal könne ich sie auch in den Arsch ficken. Diese für mich noch ungewöhnliche Alternative gefiel mir sofort, aber sie war mir zu dick und roch unangenehm. Ich sah sie nie wieder.

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Foto: Gottes kalte Gabe

Karin Reddemann

Gottes kalte Gabe

Ein totes Mädchen tanzt auf Gräbern und spielt Gott; Max Kellermann bekommt sein erstes gutes Gespräch und eine letzte Rose nach seinem großen Flug; Kurt dichtet über Zwerge … und Vater weint trocken, weil gestern eben gestern ist. Die Geschichten von Karin Reddemann lassen den Leser in ein Meer von Bildern und Worten tauchen, das herrlich ehrlich nach Salz schmeckt. Gottes kalte Gabe ist eine Auswahl an Short-Stories, in denen Leben passiert. Es macht manchmal atemlos, sie zu lesen.

Dr. Ronald Henss Verlag, 2006
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