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Die Schlampe, der Metzger und ich
An meinen Lippen klebten Tabakkrümel. Und irgendwie roch ich wohl auch nach echtem gutem Männerschweiß, vermischt mit dem Moschus unter meinen Achseln und unterhalb des Bauchnabels, eine Mixtur, die ich genießen würde, wäre ich eine dieser süßen kleinen Frauen, die schon Wasser lassen, wenn sie an dir schnuppern. Diese nicht. Diese war eins achtzig groß und hätte mir spielerisch die verdammte Nase abbeißen können, ohne sich auf die Zehenspitzen zu stellen. Das hatte sie nicht vor.
Sie plante lediglich, mir meinen verfluchten Kopf abzusäbeln. Später. Aber vorher wollte sie Meister Saubermann ficken, keinen in zerknittertem Leinen, der sie seinen halb verdauten Whisky schmecken lassen würde, während seine Zunge in ihr bohrt. Eine lauernde Katze, die mit Mäusen neckisch albert, bevor sie ihre Krallen ausfährt, um sie in dein Fleisch zu schlagen. Meinem Bauch war das klar, ich bin kein Amateur. Meinem Schwanz leider nicht. Sie war eine Frau, die dich nass anlächelt, bevor sie ihre Beine spreizt, die ihn sich nimmt, ohne dass du es verlangen musst, die dich zu ihrem geifernden Gott und trotzdem zum Idioten macht.
Ich hatte versucht, die Lady ungewaschen zu küssen, Routine für mich, aber irgendwas war schief gelaufen. "Jetzt fresse ich Dich, mal sehn, wie feucht und spitz du bist." Ich nahm mir ihre Brustwarzen vor, die Dinger standen, versuchte, weiter unten Klavierspieler zu sein, saugte an ihren Lippen, stieß mich dazwischen. Wurde weg gedrängt. "Mach dich frisch, Cowboy." Ihre Worte. Sie. Wie sie da stand mit ihrer affigen Zigarettenspitze, Altsilber mit ihren Initialen, durchsichtige Bluse, kein BH, kein Slip, nur die champagnerfarbene Bluse, die ihre rasierte Zone knapp bedeckte. Gläschen mit Prickelwasser in der Rechten, naive Show der Femme Fatale, tatsächlich bevorzugte sie Hartes. Wie ich.
Also stand ich nach der vorläufigen Abfuhr in ihrem Badezimmer vor dem arschglatt polierten Spiegel mit all dem rosafarbenen Gedöns um mich herum, - Seife, Handtücher, Zahncremetube, sogar der Klodeckel, alles rosa -, starrte in meine Visage und wischte mir die Überbleibsel meiner Selbstgedrehten weg (schwarz und französisch), gurgelte mit grünem Mundwasser und war amüsiert über die Farbe. Kein pink, gibt's wohl nicht.
Spiegel liebe ich. Dieser hatte zwei Dutzend Glühbirnen, korrekt am Rahmen verteilt, er leuchtete mich aus, hätte mir jeden Pickel, jede Runzel, jede ekelhafte Fettspur unbarmherzig gezeigt. Mir gefiel, was ich sah. Keine Beanstandung. Meine Augen sind nachtschattenblau, das ist selten und schmeichelt mir, meine Muskeln sind ehrlich erworben, ich creme mich mit Kokos ein, mache morgens fünfzig Liegestützen, bevor ich masturbiere, trinke passabel gesund und entferne meine Bartstoppeln im Dreitagerhythmus.
Ich duschte gewohnheitsgemäß kalt, der Whisky in meinem Kopf (nicht der edelste Tropfen, aber zum Wegspülen in Ordnung) brauchte Eis. Ich bemühte mich nicht um etwas, das mich hätte bedecken können. Wozu? Das Bett oder der Flur, von mir aus die Küchenspüle wartete, ich wollte ficken. Sie wohl auch. Was sie noch Nettes mit mir vorhatte, ahnte ich nicht. Mein Fehler. Hätte deutlich vorsichtiger sein müssen.
Mein Job verlangt von mir, Kerl genug, eine Löwin zu sein, die Beute macht, gleichzeitig den trägen Macho mit seiner gewaltigen Mähne in sich zu haben, der jagen lässt und zum Raubtier wird, wenn es um die Königsehre geht. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich es nicht mit einer einsamen Antilope zu tun hatte, für die ein Sprung genügt.
Vor diesem genialen Spiegel, wohl ein Relikt aus der Garderobe von John Wayne, vor dem er den Sitz seines Korsetts überprüft haben dürfte, bleckte ich die Zähne. Da steckte zu meiner Beruhigung nichts Unappetitliches zwischen. Das wirklich Unappetitliche lag splitternackt mit durchtrennter Kehle im Garten, ich hatte es auf meinem Schleichweg zu dieser sensationellen Schlampe eliminiert, weil ich gut bezahlte Aufträge gewissenhaft erfülle. Verdammt gut bezahlte.
Ich hätte ihn im Haus erledigen sollen, das war die Abmachung gewesen. Aber ein Künstler braucht seine Freiheit. Er war mir leidig im Weg gewesen, der dickbäuchige triefende Gnom, der zuvor brav seine Runden im Pool gedreht hatte, ich fühlte mich angewidert. Ich bin Ästhet, meine Entschuldigung. Also weg mit dem Schlachtvieh. Ein fettes glatzköpfiges Walross, vom Nikotin hässlich gefärbtes Gebiss, belegte fleischige Zunge, wässrig blaue Puppenaugen, wimpernlos, Doppelkinn ohne Hals…er zeigte mir alles, während er nach Mutti jaulte und ich das Messer aus meinem Sakko griff, edler Holzgriff, ein harmloser Knopfdruck, es schnappte, sprang heraus wie die Maus aus dem Loch, die keine Katze kriegt.
Der weiße Klops vor mir war nicht der Rede wert, stank nach Angst, teuren Zigarren und noch mehr Geld. Deutlich mehr, als in Aussicht gestellt. So was wittere ich, bevor ich sie anfalle und meine Zähne in ihren Eingeweiden spielen lasse. Immer wieder amüsant, was für Frauen solche Würmer abkriegen.
Ich fuhr mir mit nassen Fingern durch mein Haar, hielt die Luft an, ballte die Fäuste, grinste mein Spiegelbild an. "Braver schlimmer Junge." Ich sah einen echten Kerl. Durchtrainiert und böse. Ich hatte gemordet. Für ein millionenschweres Luder. Für Acapulco. Die Lady mit ihrem aufgespritzten Hintern und dem dicken Konto wollte ich nach dem Intermezzo entsorgen. Ich sah mich lieber zwischen feuchten dunkelbraunen Schenkeln. "Te gusta, guapo? Qieres más?".
Oh ja, es gefällt mir, immer wieder, und ich sabbere nach mehr. Auch jetzt noch, während der Metzger mich mit seinen dummen blauen Augen fixiert und sein Maul nicht zu kriegt. Er kratzt sich an den Eiern und grinst mich an, während ich überlege, wie ich sie ihm abreißen könnte. Vielleicht kotze ich ihm in die Fresse, wenn er mich packt, aber verbessern wird das meine Situation nicht.
An diesem Abend vor dem Spiegel fühlte ich mich wohl. Ich stellte mir vor, mit viel Geld in der Hose Schwarzäugige in der Sonne keuchen zu hören, mit ihnen gemeinsam zu schwitzen und nach in Martini getränkten Oliven zu schnappen, sie alle schmecken und lecken zu können wie den Frühstückshonig meiner Mutter, die jeder verfluchen darf, wer will. Sie war eine Nutte, okay, aber sie hat jedem ihr Bestes gegeben. Zur Hölle, und genau dort wollten wir uns irgendwann wieder treffen und lachen über die Vollidioten, die uns zu Lebzeiten nicht richtig eingeschätzt hatten. Es kam anders.
Ich hocke ich hier mit Ausblick auf eine versiffte Toilettenschüssel und einen bullbeissigen Metzger, der auf meinen Arsch starrt. Und irgendwie schwant mir, dass ich meinen Lebensabend nicht in direkter Strandnähe verbringen werde. Meine Mutter würde sagen: "Dreck gebaut, mi corazón." Sie nannte mich "mein Herz", und ich vermisse sie. Sie war so eine verflucht ehrliche Haut. Dreck, Müll, Scheiße, Mist gebaut…habe ich, allerdings.
Es wäre tröstlich, wenn ihr trockener Humor mich begleiten könnte, irgendwo hin, wo es angenehmer wäre als in diesem winzigen stinkenden Käfig. Ich vermute, es ist der Metzger mit dieser triefenden Kartoffelnase, der für den bestialischen Gestank verantwortlich ist, der mich fast ersticken lässt. Für seine hässliche Nase kann er nichts, aber Speichel tropft aus seinen Mundwinkeln, während er mir seine fiesen kleinen Anekdötchen erzählt, und dieser Sabber ist für mich bestimmt.
Die Lady hatte mich ausgetrickst, ich gebe es ungern zu. Ich galt als der Beste, und nun ist mein Hintern Futter für einen rotgesichtigen Riesen, der keine Vorderzähne und keinen Vater mehr hat. Dem hat er das Hirn gespalten, deshalb sitzt er mit mir in einer gemeinsamen Zelle, glotzt mich an und sagt "Bruder" zu mir. Konrad Wickbusch heißt der Kerl, und niemals hätte ich dem schwammigen Scheißer freiwillig mehr geschenkt als zwei Euro für sein zehntes Bier. Aber der Teufel mischt die Karten gut, und Gott lasse ich da raus, bete das hundertste Ave Maria für meine Mutter und hoffe, dass dieses Miststück verreckt. Silvia Muchales. Sie hatte mich verdammt gut bezahlt dafür, dass ich ihr fettes steinreiches Stinktier entsorge.
Ein prinzipiell guter Plan: Er verreckt im Garten, abgestochen von einem Mister Nobody, der anschließend den Tresor über dem Kamin leer räumt, sich den Picasso schnappt und zwischendurch die Dame des Hauses vernascht. Danach Handschellen, Knebel, anonymer Anruf bei der Polizei, Raub, Vergewaltigung, kitschiger Mord ausgerechnet im Garten. Vom Täter keine Spur. Nur eine geschändete, heulende, steinreiche Witwe. Dann: Treffen vierzehn Tage später am Frankfurter Flughafen, - verfrühter wäre es zu gefährlich gewesen -, Kohle aufteilen, braunen Rum saufen, Kohle ausgeben, feiern, ficken. Fertig.
Natürlich hätte ich nicht darauf gewartet. Nachdem ich aus der Dusche gekommen war, stand sie ohne Hemd vor mir, und in diesem Moment, in dem ich Venus auftauchen sah, tat es mir fast leid, sie entsorgen zu müssen. Ich war nicht so blöd, daran zu glauben, sie hätte ernsthaft freundschaftlich mit mir geteilt. Aus Leidenschaft zu mir wohl noch. Nein. Mir sollte genügen, was sie mir für das Abschlachten ihres Mannes gegeben hatte. Zusätzlich war da der Tresor, ein erstaunlich einfaches System, das ich geknackt hätte, auch ohne ihre Informationen.
Die Scheinchen, die darin selig schlummerten, waren Schwarzgeld von Saudis, interessierte mich nicht, warum und woher, es war genug. Den Picasso hätte ich mir gern noch eingesteckt, hätte ihn, glaube ich, nicht verkauft, gefiel mir einfach. Habe auch Respekt vor ihm. Alles geschenkt, alles im Arsch.
Silvia ließ sich von mir ausgiebig ertasten, sie war wie eine Puppe in meinen Armen, zwischen meinen Fingern, die ich lebendig machen sollte, wie es mir schien. Das reizte mich, ich mag dieses Devote. Ich leckte sie ab wie ein Hund, der scharf auf Bodylotion ist, - tatsächlich hatte ich mal solch ein verstörtes Vieh -, und sie wimmerte unter mir und bettelte nach mehr. So muss es sein. In ihr war ich anfangs vorsichtig, wollte nicht unnötig brutal zustoßen, da sind sie alle anders, aber sie verlangte "Fester!", und ich dachte okay, gönnen wir uns den Spaß, für sie wird es eh der letzte sein. Falsch gedacht.
Wie abgesprochen, fesselte ich sie anschließend, - wir hatten es dreimal gemacht, und Gott, wir haben beide im Schweiß gewühlt wie Schweine, die kein Morgen und keine Grenzen kennen, weil die Schlachtbank so oder so wartet -, mit meinen Handschellen an den Mahagonitisch im Wohnzimmer. Ein schweres, teures Teil, das mir nur bedingt gefiel. Zu konservativ. Fast zu stillos für den durchdachten Abgang der Lady.
Er hatte diese chinesischen Kritzeleien auf der Platte, und ich dachte noch, solch einen Scheißtisch kaufst du dir nie. Wieder daneben. Ich kaufe mir gar nichts mehr, trage diese billigen blauen Anstaltsklamotten und lasse ich mir nicht den Pelz wärmen, sondern warte auf den Metzger. Gut zwei Meter groß, dick, kräftig und so schlau wie ein Pavian, dem sie ein Drittel seines Gehirns entfernt haben.
Ich würde ihn gern abknallen, direkter Schuss zwischen die blöden Augen, aber stattdessen dreh ich ihm eine mit französischem Tabak und halte ihn bei Laune. Ich weiß nicht, wie das ist, von einem Bullterrier ohne Maulkorb von hinten attackiert zu werden, aber ich stelle es mir vor wie gekochte Leber, die ich einmal gegessen habe und die mir heute noch die Galle aus der Nase zieht.
Als ich die Lady fest gemacht hatte, ließ ich mein Messer noch einmal auf schnappen, mehr spielerisch, ich wollte nicht, dass sie sofort denkt, ich meine es ernst. Tatsächlich wollte ich ihre Kehle, nicht symbolisch, ich wollte sie kalt machen. Ich weiß, wie es ist, zu töten, es ist ein gutes Gefühl. Zum Jammerlappen hat mich niemand erzogen, ich bin ein undressierter Köter, der zufällig Wert auf sein Äußeres legt. Intellektuell bin ich nicht schlecht, ich kann, wenn ich will. Jetzt kann ich nicht mehr. Der Metzger hat sich neben mich gesetzt und seine Pranke um mich gelegt.
Ich befürchte, dass er mit mir nicht über moderne Lyrik sprechen will. Er sagt "Mein Kleiner" zu mir, das ist der Brüller, ich bin fast einsneunzig und fit, aber der Typ könnte mich platt drücken, und vielleicht wäre das besser als das, was in meinem Kopf tobt und mich wahnsinnig macht. Ich würde dem Metzger gern die Zunge heraus schneiden, ihn vierteilen und dann verbrennen, das Mittelalter kommt mir gelegen, aber ich muss mir gefallen lassen, dass er mich zärtlich betatscht. Weil diese Schlampe schlauer als ich gewesen ist.
Sie hatte einen Lover. Polizist. Ein schmieriges Arschgesicht. Konnte ich das ahnen? Meint ganz gelassen: "Wie spät ist es?" Ich denke noch, große Güte, fragt die Bekloppte nach der Uhrzeit, welch phantastische Komikerin. Sitzt hier gefesselt, glaubt, ich halte mich an diese idiotische Abmachung und mach mich aus dem Staub (vorerst), dabei ist die Dame gleich nicht mehr. Klar. Dahin geschissen.
Ich sag: "Zweiungdzwanzig Uhr neunundzwanzig. Fast halb." Sie grinst, ich denke immer noch, hey, Grund zum Grinsen gibt's hier nicht, grinst breiter, spreizt ein letztes Mal für mich die Beine (keine Gelegenheit mehr) und sagt: "Bingo."
Dann kamen die Bullen. Ich bin dran. Mord, vielleicht Totschlag, naja, Einbruch, versuchter Raub, Vergewaltigung…bin nur froh, dass Mama das alles nicht mehr erlebt hat. Die Schlampe und ihr uniformierter Penner suhlen sich jetzt wohl in meinem Acapulco. Und ich knutsche meinen Metzger.
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Karin Reddemann
Gottes kalte Gabe
Ein totes Mädchen tanzt auf Gräbern und spielt Gott; Max Kellermann bekommt sein erstes gutes Gespräch und eine letzte Rose nach seinem großen Flug; Kurt dichtet über Zwerge … und Vater weint trocken, weil gestern eben gestern ist. Die Geschichten von Karin Reddemann lassen den Leser in ein Meer von Bildern und Worten tauchen, das herrlich ehrlich nach Salz schmeckt. Gottes kalte Gabe ist eine Auswahl an Short-Stories, in denen Leben passiert. Es macht manchmal atemlos, sie zu lesen.
Dr. Ronald Henss Verlag, 2006
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