"Ich weiß auch nicht genau, was ich da mache. Aber es ist gut." (T.C. Boyle) |
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Über das Schreiben (2)Der "Fall Hemingway"Immer noch unklar? Schauen wir uns ein anderes Beispiel an. Ungefähr 1950 ging es Ernest Hemingway nicht gut. Der Zahn der Zeit nagte an ihm und die jahrzehntelangen Alkoholexzesse forderten ihren Tribut. Hemingway fühlte sich alt und krank und schwach. Nun hätte er einen Roman über einen alten, kranken Schriftsteller schreiben und dabei all seine Befindlichkeiten mitteilen können. Doch er wählte einen anderen Weg. Er suchte sich ein Symbol für seine Gefühle und schrieb eine Geschichte, in der ein sehr alter, sehr müder Fischer versucht, einen sehr großen, sehr starken Fisch zu fangen. Er schrieb "Der alte Mann und das Meer". Der Inhalt ist der gleiche, doch die Verpackung ist ... ta ta ta ta ... sprechen wir's ruhig aus ... Kunst. Und dafür gab's zu Recht den Pulitzerpreis und kurz darauf den Nobelpreis.Schriftsteller sind KryptographenSchriftsteller sind im Grunde nichts anderes als Kryptografen. Sie erfinden mehr oder weniger komplizierte Codes, um verschlüsselte Botschaften zu übermitteln. So wie die Typen, die sich im 2. Weltkrieg Enigma ausgedacht haben. Nur, dass Schriftsteller dafür keine Algorythmen benutzen, sondern Geschichten. Geschichten sind das A und O des Schreibens (Woher kommt eigentlich dieser Ausdruck? Ich habe gerade nachgeschlagen: Aus dem Griechischen. Alpha ist der erste Buchstabe des griechischen Alphabets, Omega der Letzte. A und O bedeutet also so viel wie "von A bis Z". Also alles). Geschichten sind also alles. Und wer glaubt, ohne eine Geschichte auskommen zu können, sollte Kochbücher schreiben.Alles kommt aus dem UnbewusstenWorauf ich hinaus will? Keine Ahnung. Denn Schriftsteller wissen nur in den seltensten Fällen, worum es ihnen wirklich geht. Die Betonung liegt hier auf wirklich. Denn den meisten Schriftstellern ist nicht bewusst, was sie eigentlich sagen wollen. Ihre Botschaft kommt aus den tiefsten Tiefen des Unterbewusstseins. Sie schleicht sich in die Geschichte wie ein Dieb. Man hat keine Kontrolle darüber. Ein Schriftsteller kann zum Beispiel eine Geschichte übers Schlittschuhlaufen schreiben und hinterher kann man überall lesen, dass sie vom Erwachsenwerden handelt (Literaturkritiker sind in dieser Hinsicht wahre Genies, sie wissen mehr über einen Autor als seine eigene Mutter).Leicht zugänglich oder verstecktDer Zugang zur eigentlichen Botschaft einer Geschichte kann klar und offensichtlich sein, man betritt das Gebäude einfach durch den Haupteingang, oder beinahe unmöglich, eine von Efeu überwucherte Pforte auf der Rückseite. Stephen King zum Beispiel baut riesige Horrorhäuser mit großen, offenen Türen. Man gelangt praktisch mühelos ins Innere. Man tritt ein und schaut sich alles an (Kings Geschichten handeln natürlich nicht von Monstern, sondern von Freundschaft, Kindheit und Verlust). Andere Autoren wie Hermann Hesse, James Joyce oder Thomas Pynchon dagegen sind mehr die Pforten-Typen. Man kann ganze Kapitel ihrer Bücher lesen und versteht kein einziges Wort. Und doch enthalten diese Kapitel geheime Botschaften, die unsichtbar wie ein Virus in den Leser eindringen.Ich erinnere mich heute noch gerne an ein Interview, das ich mal im Fernsehen gesehen habe. Darin wurde ein Autor (den Namen habe ich vergessen) gefragt, was er denn mit Diesem oder Jenem gemeint habe. Und der Mann gab tatsächlich die 100-Punkte-Antwort. Er sagte: "Das weiß ich nicht. Literatur steht für sich." |
Karin ReddemannGottes kalte GabeEin totes Mädchen tanzt auf Gräbern und spielt Gott; Max Kellermann bekommt sein erstes gutes Gespräch und eine letzte Rose nach seinem großen Flug; Kurt dichtet über Zwerge … und Vater weint trocken, weil gestern eben gestern ist. Die Geschichten von Karin Reddemann lassen den Leser in ein Meer von Bildern und Worten tauchen, das herrlich ehrlich nach Salz schmeckt. Gottes kalte Gabe ist eine Auswahl an Short-Stories, in denen Leben passiert. Es macht manchmal atemlos, sie zu lesen.Dr. Ronald Henss Verlag, 2006 ISBN 978-3-9809336-3-6 >>> Bei Amazon |
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