"Ich weiß auch nicht genau, was ich da mache. Aber es ist gut." (T.C. Boyle)
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Mal eben in die
Tasten hauen


Wer nicht provoziert, hat nichts zu sagen.
(Serge Gainsbourg) Foto: CC-Lizenz
Es ist grundsätzlich vernünftig, sich Gedanken darüber zu machen, wie man was und warum überhaupt schreibt. Es genügt ja nun nicht, es sich einfach mal so bequem zu machen und zu sagen, so, dann woll'n wir mal. Schreiben ist grundsätzlich ein harter Job. Wenn man es wirklich ernst damit meint. Fein, wenn man zu den Auserwählten gehört, die einfach so loslegen können, in einem Tempo, das schwindelig macht und ergo für eine gewisse Sorge in Kopf und Magengrube sorgt. Weil man selbst, nunja, da schon etwas langsamer ist. Zu langsam? Kann man so, denke ich, nicht sagen.

Zu schlecht. Das gibt's. Langsam und schlecht ist ganz übel. Gut und schnell ist optimal. Zu gut ist indiskutabel. Zu schnell ist oft nicht gut. Zu langsam ist okay, wenn das Resultat stimmt. Schließlich treibt einen ja keiner. Zumindest kein Zweiter oder Dritter, sei denn, ein Verleger sitzt im Nacken, - jetzt spinn' ich mal -, und macht mächtig Dampf, weil das Manuskript nicht 'rüberkommt. Wenn das Warten sich lohnt, nörgelt aber auch der nur so ein bißchen und trinkt etwas mehr Kaffee als unbedingt nötig.

Wenn ich höre, wie flott so manche mehr oder weniger geschätzte Kolleginnen und Kollegen ihre Geschichten zu Papier bringen und großkotzig behaupten, ihnen flöge das alles nur so zu, denke ich gern: Hmmm. Schön. Und? Wer schnell ist, muss nicht verdammt gut sein. Er muss kein Stück gut sein. Er kann grottenmiserabel sein. Und da hilft auch der Master of the Universe aller Computer nicht.

Master of the Universe


Phantasie ist der Versuchsballon, den man am allerhöchsten steigen lassen kann. (Lauren Bacall) Foto: Public Domain
Ich habe mir mal so überlegt, wie das wäre, wenn es für Autoren keinen Computer gäbe, sondern immer noch einzig die gute alte Schreibmaschine. Das ist natürlich in erster Linie ein unsinniger Gedanke, denn wenn es so wäre, hätte niemand einen, auch nicht zum Gucken und Blödeln und Scheißebauen. Keiner würde ihn vermissen, denn was man nicht kennt, fehlt und juckt nicht. Logisch. Ergo würden wir weiterhin fröhlich vor uns hin pfeifend unsere Texte in die Tasten hauen und mit zusammen geknülltem Papier nach Abfalleimern zielen.

Ich blicke zurück und sehe mich, jung und unverbraucht, an der Tischplatte sitzen, vor mir ein Stapel mit weißen unbeschriebenen Blättern, ein fetter Block für Notizen, zwei, drei Kugelschreiber, eine Familienflasche Tipp-Ex, ein Ersatzfarbband, die zentnerschwere Schreibmaschine von 1963, noch prima in Schuss, direkt vor meiner was-immer-auch witternden Nase, daneben eventuell etwas Brauchbares für den normalen, für den fröhlichen und für den frustrierten Durst. Was gut und was nicht gut für mich sein wird, muss sich noch entscheiden.

Nachdem ich Stunden später auf meine verdammte Zuversicht pfeife und das Zimmer vollgemüllt habe mit vom Wutheulen zerweichten Papiertüchern, zudem leicht angetrunken und schwer sauer bin, nehme ich mir vor, jetzt endgültig erst einmal wild drauf los zu schreiben, ich will gefälligst was sehen. Ich will was haben, es herum zeigen, es mir auf die stolzgeschwellte Brust tackern, ich will einen Verleger. Ich trage schließlich nicht umsonst die ernst zu nehmende Absicht, eine ordentliche Geschichte zustande zu bringen mit Anfang, Mittelteil und Ende, wie man das halt so macht. Leider fällt mir immer noch keine ein, das heißt, die Idee dafür ist grundsätzlich da, eine ausgezeichnete Idee übrigens, die mir aber keine große Hilfe ist, weil mein Kopf ansonsten auf doof geschaltet hat.

Fazit: Ich habe nichts zustande gebracht, ich habe grauenvoll klägliche Formulierungen vernichtet und bin bei keinem meiner tausend Entwürfe über den ersten Absatz hinaus gekommen. Unerfreulich.

Literarisches Fiasko

In dieser unschönen Situation gebe ich natürlich der bescheuerten Schreibmaschine die Schuld an meinem literarischen Fiasko. So kann man ja auch nicht arbeiten. Papier rein, schief drin, wieder rein, was getippt, erster Fehler, zweiter, dritter, schon keine Lust mehr, neues Blatt, schlechter Start, Satz bekloppt, muss weg, durchxen geht nicht, wie sieht das denn aus?, neues Papier. Hat was von der unendlichen Geschichte, das Ganze. Aber die ist irgendwann mal fertig geworden.

Meine Magisterarbeit übrigens auch, ich frage mich heute noch, wie das überhaupt funktionieren konnte. Ich besaß zwar ein durchaus neueres Schreibmaschinenmodell mit Kabel und Stecker, dochdoch, sensationellem Minispeicher für kleine Absätze und Korrekturtaste für ganze (!) Sätze. Aber unzählige Seiten, ach was, Kapitel vernichten musste ich immer noch, bis das Ding endlich halbwegs ordentlich stand, mit Literaturhinweisen und dem restlichen Gedöns, was dazugehört, am richtigen Ort. Falls jetzt übrigens böse Zungen über mich behaupten, ich hätte meine Arbeit in etwa zeitgleich mit den Nachkriegsliteraten geschrieben, sei betont: Selbstverständlich gab es Ende der 80er bereits Computer. Für mich aber nicht.

Bequemer, nicht besser

Ich gedachte damals auch nicht, mir solch ein ewig kaputtes technisches Monstrum für meine weitere Zukunft anzuschaffen. Man munkelte, allzu nervöse Computerbesitzer würden mit Aschenbechern, leeren Bierpullen und sogar Büchern auf ihre ungehorsamen Monitore und Tastaturen zielen. Ferner sprächen sie mit ihren, meist ernst und böse, aber das brächte effektiv nichts ein, höchstens ein kleines Magengeschwür. Und ständig war irgend was nicht in Ordnung, ich kapierte das nicht, da ließ ich Kopf und Finger von, ich hatte eh' keine Ahnung. Die habe ich heute noch nicht. Ich kann damit schreiben, googlen, Fotos gucken und Unsinn machen. Reicht.

Das Verfassen von Texten, ergo primär Geschichten in meinem Fall, ist bequemer geworden, ganz klar. Ich kann ständig daran herum wursteln, hier was weg, da was hin, dort ganz anders, hier vielleicht, da mit Sicherheit oder doch nicht. Will sagen: An einer, sagen wir mal, doch recht kurzen Story kann ich solange feilen und schleifen, wie ich lustig bin. Also verdammt lange. Es kann demnach sein, dass diese eine feine Story, für die ich ohne die Möglichkeiten eines Computerschreibprogramms einige gut durchdachte Stunden gebraucht hätte, um sie dann für gelungen genug zu befinden und definitiv ins Reine zu schreiben, einige gefühlte Jahre brauche, bis sie steht.

Alle Zeit der Welt?

Egal, wenn man alle Zeit der Welt hat. Habe ich aber nicht. Und ich hocke mich auch nicht gemütlich vor den Bildschirm und denke mir, so denn, jetzt schreibe ich mal einen Romananfang, schau'n wir mal, und wenn's nicht gefällt, wird gelöscht oder herum gezaubert, ich kann ja alles und nichts damit anstellen. So nicht. Klappt nicht. Eine Geschichte, die meinen Kopf nicht mehr verlassen will, weil sie aufgeschrieben werden möchte, lebt, bevor ich den Computer einschalte. Der hat nichts damit zu tun. Und er darf sich auch nicht einmischen, heißt, mir erzählen, ich solle ruhig machen, er und seine cleveren Finessen werden's schon richten. Nein. Die können sogar Schaden anrichten. Weil sie es mir zu leicht machen. Weil sie mich nicht wirklich auffordern, kreativ im tasächlichen Sinn zu sein. Meine Geschichte verliert durch permanentes Überarbeiten, Herumkritzeln, Umändern, Verwerfen , eben durch alles, was mir so unkompliziert ermöglicht wird, an Persönlichkeit. An Leben eben.

Natürlich ist es verlockend, dass nichts so stehen bleiben muss, wie es ursprünglich stand. Am Computer ist das einzelne Wort, die Formulierung, der Absatz mehr denn je mein Eigentum, das ich beliebig jederzeit austauschen kann. Ob es dadurch wirklich ausgereifter und lesbarer wird, bleibt unbeantwortet als generelle Frage. Für mich persönlich wird es das nicht. Ich halte wie in guten alten Zeiten (mit kleinen Abstrichen) an Ursprungsideen fest, was Inhalt, Form, Stil betrifft.

Denn das Schreiben selbst, wie schreiben, was, warum, bleibt nun mal die eigene Kunst, die einem Computer versagt ist. Noch. Alles andere wäre Horrorvision, das ist ein anderes Thema. Mich tröstet der Gedanke, dass ein guter Autor durch technischen Fortschritt kein besserer werden kann. Ob am Schreibpult mit der Feder in der Hand, vor der Schreibmaschine oder am PC, er bleibt, was und wer er ist: Einer, vor dem ich immer den Hut ziehe. Oder niemals.

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Foto: Gottes kalte Gabe

Karin Reddemann

Gottes kalte Gabe

Ein totes Mädchen tanzt auf Gräbern und spielt Gott; Max Kellermann bekommt sein erstes gutes Gespräch und eine letzte Rose nach seinem großen Flug; Kurt dichtet über Zwerge … und Vater weint trocken, weil gestern eben gestern ist. Die Geschichten von Karin Reddemann lassen den Leser in ein Meer von Bildern und Worten tauchen, das herrlich ehrlich nach Salz schmeckt. Gottes kalte Gabe ist eine Auswahl an Short-Stories, in denen Leben passiert. Es macht manchmal atemlos, sie zu lesen.

Dr. Ronald Henss Verlag, 2006
ISBN 978-3-9809336-3-6

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