"Ich weiß auch nicht genau, was ich da mache. Aber es ist gut." (T.C. Boyle)
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Kerzen schmelzen
Herzen ... oder so


Das Schlimme an manchen Rednern ist, dass sie oft nicht sagen, wovon sie sprechen. (Heinz Erhard) Foto: Public Domain
Dicke Freunde sind die Dichter und ich nicht. Es gibt Momente, in denen wir uns rein zufällig über den Weg laufen. Manchmal grüssen wir uns höflich, selten plaudern wir ein wenig. Aber in den meisten Fällen laufen wir achtlos aneinander vorbei. Gedichte ignoriere ich recht gern. Wobei ich behaupten muss, dass das eine oder andere aufdringliche Poem schon mal nach meiner Aufmerksamkeit brüllt: Hey, verdammt noch mal, lies mich. Versteh mich. Sag was über mich. Sag, dass ich toll bin.

Das sind diese Augenblicke, die mich furchtsam erstarren lassen. Ich weiß, dass ich etwas sagen muss. Im Idealfall etwas Gutes. Kann ich oft aber nicht. Also lüge ich. Besser noch: Ich hau einfach ab, flüchte mich in mein stilles Kämmerchen und schreibe eine Kurzgeschichte. Davon verstehe ich was, sage ich jetzt frech einfach mal so, sage auch, dass ich nicht gedenke, meine eigenen Gedichte kaltschnäuzig auf die Menschheit los zu lassen. Richtig gelesen. Es existieren welche, die meinem Geist entsprungen sind. Die sind gequirlter Mist, da bin ich furchtbar streng mit mir selbst, die gehören nicht auf das Tablett, das mir zum Servieren dient: Hausmannkost, bitte sehr, Ihr persönlicher Würgereiz, darf's noch etwas mehr sein, da steht der Eimer.

Sag', dass ich toll bin

Irgendwie scheint jeder, der kreativ schreibt, davon überzeugt zu sein, auch Verse produzieren zu können, gereimt oder nicht, egal, Hauptsache, das gut gemeint Erdachte darf "Gedicht" genannt werden. Gut gemeint ist aber leider nur selten auch gut gemacht. Will sagen: Vor allem auf dem großen Markt der Hobby-Literaten tummeln sich gruselig viele Poeten, die besser die Klappe halten sollten. Weil sie zum Himmel schreiend nerven.

Natürlich werde auch ich fündig, wenn man mich zwingt, einen 200-Seiten-Wälzer mit Gedichten jeglicher Couleur zu lesen. Irgendwo stehen tatsächlich zwei, es mögen auch drei, gar vier sein, die mir gefallen. Die ich mir vielleicht auch kopieren oder ausschneiden würde, um sie auf zu heben. Solche Kostbarkeiten sind mir durchaus schon unter die Augen gekommen und haben treffsicher auf meinen Kopf, sogar in mein Herz gezielt. Aber um sie auf zu stöbern muss man sich zuvor durch Unmengen an Schrott wühlen, das ist mir zu anstrengend und macht keinen Spaß.

Lieber Klappe halten


Tatsachen bleiben auch bestehen, wenn man sie nicht beachtet.
(Aldous Huxley)
Foto: Public Domain
Selten hilft mir ein Tip von Zweiten oder Dritten, da bin ich immer skeptisch, wenn einer sagt, Mensch, lies den oder das mal, hat was. Was denn? Wer außer mir weiß denn, wer oder was wie und warum was für mich hat? Meine Mutter. Schön. Selbst die kann sich schon mal gewaltig irren, die mag's auch nur bedingt, wenn ich z.B. ausgesprochen schäbige Worte benutze. Die aber nun mal wichtig für den Kontext sind. Sieht sie nicht so. Da haben wir's schon.

Ich möchte betonen, dass ich hier nicht über die großen Alten und noch Älteren spreche. Vor denen habe ich einen gesunden Respekt, da wage ich mich nur ran, wenn es unvermeidbar ist. Während meines Studiums habe ich mich (freiwillig!) mit expressionistischer Lyrik im Doppelpack, also mit deutscher und spanischer, beschäftigt. Kein Witz. Welches Pferd mich da geritten hat, weiß ich nicht mehr, ich weiß nur noch, dass es mühsam war und dass mein Hirn irgendwie leer blieb. Heißt jetzt nicht, dass das verschenkte Zeit für mich war. Oder doch? Egal. Es brachte mir nur nicht viel. Auch, wenn das eine oder andere Gedicht mich schon beeindruckt hat, die rechte Wirkung blieb aus. So im Nachhinein. Da haut mich eben so schnell nichts um. Das einzige Gedicht, das ich noch komplett auswendig kann, heißt "Der volle Sack". Das war in der Grundschulzeit.

Von einigen anderen berühmten Werken, - der Sack zählt jetzt einfach mal mit -, kenne ich Titel, Inhalt (falls vorhanden) und ein paar klägliche Zeilen. Ohne peinlich zu stammeln kann ich noch Goethes "Prometheus" aufsagen, das praktiziere ich gern vor familiärem Publikum mit Pathos, wenn Langeweile aufkommt. Ergo kriege ich doch mehr als eins zustande, wie ich grad erfahre, aber Prometheus gilt nicht so recht, weil den niemand hören will, der macht leicht müde und ist zu lang, da fragt immer irgendein Banause schon vor der dritten Strophe, wann es endlich Kaffee gibt.

Vor Urzeiten habe ich in einer Illustrierten ein Gedicht entdeckt, das wirklich wunderschön war. Es erzählte von zwei Menschen, die sich und den Moment ihres Glücks an einem einsamen Strand so lieben, dass sie sich wünschen, Arm in Arm beim Sonnenuntergang einzuschlafen und niemals wieder aufzuwachen. Und irgendwann möchten sie als Staub eins werden mit dem Sand, auf dem sie liegen. Klingt leicht kitschig, war aber großartig, da stimmte jedes Wort. Ich hatte es aufbewahrt und dann verbummelt, schade, ich kenne noch nicht mal den Namen des Verfassers. Der konnte was.

Viele können nicht. Meinen aber, sie müssten ums Verrecken dichten. Schlimm, wenn mit Gewalt gereimt wird und schonungslos der Rhythmus in der Jauchegrube landet, grausam, wenn gedankliche Lumpen sinnlos zusammen genäht werden für ein scheußliches Gewand. Klar, es gibt, - und gab -, Ausnahmen, da lädt die Musik Gedanken und Gefühle wirklich zum Tanzen ein. Es gibt starke Gedichte. Keine Frage, keine Diskussion. Aber sehr wenige, die ich zu mir nach Hause einladen würde. Geschmackssache? Tja...

Sonett an Orpheus

Nur wer die Leier schon hob
auch unter Schatten,
darf das unendliche Lob
ahnend erstatten.

Nur wer mit Toten vom Mohn
aß, von dem ihren,
wird nicht den leisesten Ton
wieder verlieren.

Mag auch die Spiegelung im Teich
uns oft verschwimmen:
Wisse das Bild.

Erst in dem Doppelbereich
werden die Stimmen
ewig und mild.
(Rainer Maria Rilke)


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Foto: Gottes kalte Gabe

Karin Reddemann

Gottes kalte Gabe

Ein totes Mädchen tanzt auf Gräbern und spielt Gott; Max Kellermann bekommt sein erstes gutes Gespräch und eine letzte Rose nach seinem großen Flug; Kurt dichtet über Zwerge … und Vater weint trocken, weil gestern eben gestern ist. Die Geschichten von Karin Reddemann lassen den Leser in ein Meer von Bildern und Worten tauchen, das herrlich ehrlich nach Salz schmeckt. Gottes kalte Gabe ist eine Auswahl an Short-Stories, in denen Leben passiert. Es macht manchmal atemlos, sie zu lesen.

Dr. Ronald Henss Verlag, 2006
ISBN 978-3-9809336-3-6

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