"Ich weiß auch nicht genau, was ich da mache. Aber es ist gut." (T.C. Boyle)
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Fuck , Shit und Stil


Fast jeder kommt als Genie auf die Welt und wird als Idiot begraben.
(Charles Bukowski) Foto: CC-Lizenz
Charles Bukowski hat frei Schnauze geschrieben, und das hat er gut gemacht. Natürlich kann man geteilter Meinung über ihn sein, nicht jeder muss seine Schreibe, seine Themen, seinen Kopf lieben. Es gibt Leute, die Bukowski prinzipiell nicht lesen, - vielleicht lesen einige darunter gleichfalls prinzipiell sowieso nicht so unbedingt gern, egal, was -, die aber tatsächlich so gut wie gar nichts Gedrucktes von ihm kennen.

Das erstaunt mich immer wieder. Da sagt also XY, weil er's so und nicht anders aufgeschnappt hat: Der B. schreibt nur Fuck und Shit, mehr kann der nicht. Und Z glaubt das natürlich, weil er's nicht besser weiß, und plappert das weiter: Nur Fuck und Shit, übrigens, mehr kann der nicht. Das macht seine Runde. Wenn man sich dann so mal so neugierig in seiner näheren oder auch weiteren Umgebung umhört, sind grundsätzlich alle darüber informiert, dass Herr Bukowski ein richtig Schlimmer war, der alles und jeden verfickt, verflucht und arschgesichtig nannte. Das finden einige Leute schrecklich empörend, andere finden das prima und sagen sich: Was der konnte, kann ich schon lange, zumal heutzutage ja mehr denn je gilt, dass hübsch versaut sich gut verkauft.

Also denkt sich der Bonsai-Bukowski unter den selbsternannten Literaten, jetzt leg ich mal eben so derb flodderig los, knall meinen Texte voll mit passablen Schmuddelworten, pack noch etwas Handlung rein, und fertig. Klingt einfach. Zu einfach. Denn so geht's natürlich nicht.

(Un-)anständiges Blut


Keine Haare am Sack, aber im Puff drängeln. (Schimanski) Foto: CC-Lizenz
Zum Einen, und das ist überhaupt das Allerwichtigste dabei: Man muss von Haus aus eh' recht ordentlich schreiben können, um überhaupt in Erwägung ziehen zu dürfen, sich Bukowski-technisch auszutoben auf dem Papier. Hier genügen fester Wille und ein Repertoire an Worten, die immer noch als salonunfähig gelten, - streng genommen zumindest -, bei Weitem nicht. Denn B. konnte was. Er konnte erzählen. Er hatte seine Sprache Und die Nase, den Kopf, das Blut für eine (un-)anständig lesbare Schreibe. Wer das alles nicht besitzt und einen auf Bukowski & Co. macht, der geht peinlich unter.

Zum Anderen: Imitieren ist immer was für den Eimer. Kopieren ist schlecht, geht auch im Regelfall schief. Vor allem dann, wenn jemand versucht, in die Fußstapfen eines Schriftstellers zu treten, der nicht mehr als eine flüchtige Bekanntschaft ist. Und der unter ganz anderen Bedingungen so und nicht anders geschrieben hat, wie er es eben konnte. Und wollte. Und schaffte. Er war und ist das, was wir von ihm und über ihn (autobiografisch) erfahren dürfen. Das ist einmalig. Das ist mehr als gut. Das muss akzeptiert werden, auch, wenn man B. als Schriftsteller bzw. Person nicht mag oder schätzt. Der Respekt gilt ihm, so oder so. Eben für das, was er konnte.

Wer sich beim Schreiben eine vulgären Sprache bedient, muss genau wissen, warum er das macht und wie es funktioniert, dass der Leser die Wahl dieser Sprache als richtig und selbstverständlich empfindet. Weil sie zur Geschichte, zum Inhalt, zum Stil, zur Form, zur Aussage, zum Bild passt. Wenn die Intention einzig die ist, möglichst, sagen wir's mal mit Omas Worten, schmutzig und ach so ehrlich zu formulieren, weil das in der Literatur das Publikum immer schon angezogen hat, dann ist das, was geboten wird, tatsächlich nur Dreck. Und bleibt Dreck, auch, wenn es einigermassen bekannte Leute sind, die sowas wie "Feuchtgebiete" auf die Menschheit loslassen. Ja, sind denn alle nur noch bekloppt?

Wer will und nicht kann

Dieser gedankliche Schlenker von Bukowski auf Ch. R. schmerzt förmlich, da hat das eine mit dem anderen rein gar nichts zu tun, aber gemeinsam haben beide eben doch, dass (s.o) frei Schnauze geplaudert wird. Nur macht R. das grottenschlecht, die Schreibe ist Scheisse, das Füllmaterial auch. Wer verlegt so was freiwillig? Wer kauft das? Wen interessiert das, was die Ich-Erzählerin Ekliges am Arsch hat, das sie und ihre Kerle aber bei ihrem analen Hobby nicht juckt. Mir wird da schlecht. Aber noch übler, ganz klar, wird mir beim Stil. Himmel!

Der Clou ist noch, dass sowas ins erotische Genre fällt. Tatsache. "Feuchtgebiete" werden als erotische Literatur deklariert, und die Autorin selbst freut sich deibelig: "Ich fände es gut, wenn Frauen das Buch als Wichsvorlage nenutzen."

Klar. Die meisten Männer finden es ja schließlich auch wahnsinnig geil, wenn sie einen Urwald im Schritt abknabbern sollen. Warum sollte man nicht heiß werden, wenn man an schucklige Hämorrhoiden denkt? Fiesester Mundgeruch schreit nach süßen Zungenküssen, und ein bestialisch stinkender Kerl wird überall lieb sauber abgeleckt. So muss das sein, da kommt Spaß auf.

Die Französin Millet zählt ihre schon recht kontrovers diskutierte Autobiografie "Das sexuelle Leben der Catherine M." zu den "Büchern, die man mit einer Hand liest". Soweit okay. Die gibt's zweifellos. Aber darunter fallen wenige wirklich nennenswerte. Und wahnsinnig viele billige Pornos, die sauschlecht gemacht sind und bestenfalls als (s.o.) armselige Wichsvorlage nützen. Selbst das hat Ch. R. nicht geschafft. C. Millet legt in ihre "kahlen Wiegen des Vögelns" (so nennt sie Sexparties) wenigstens eine Geburt, der man beim Schreien zuhören kann, ohne sich die Ohren zu stopfen zu müssen. Sie schreibt sauber. Sachlich. Schonungslos unsauber. Immerhin.

Wer es übrigens packt, mit der bloßen Beschreibung einer Umarmung, einer zärtlichen Geste, eines simplen (?) Kusses das gewisse Prickeln beim Lesen zu verursachen, ohne seine Bilder unnötig durch zu ficken, - ich denke, das kann so stehen bleiben -, der ist ziemlich nah dran. Der weiß, was Erotik ist. Ebenso, wie Bukowski wusste, was eine gute Schreibe ist. Das wollte nochmal gesagt sein.

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Foto: Gottes kalte Gabe

Karin Reddemann

Gottes kalte Gabe

Ein totes Mädchen tanzt auf Gräbern und spielt Gott; Max Kellermann bekommt sein erstes gutes Gespräch und eine letzte Rose nach seinem großen Flug; Kurt dichtet über Zwerge … und Vater weint trocken, weil gestern eben gestern ist. Die Geschichten von Karin Reddemann lassen den Leser in ein Meer von Bildern und Worten tauchen, das herrlich ehrlich nach Salz schmeckt. Gottes kalte Gabe ist eine Auswahl an Short-Stories, in denen Leben passiert. Es macht manchmal atemlos, sie zu lesen.

Dr. Ronald Henss Verlag, 2006
ISBN 978-3-9809336-3-6

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