"Ich weiß auch nicht genau, was ich da mache. Aber es ist gut." (T.C. Boyle) |
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Wieder NachtEr war meine Sonne. Jetzt ist die Nacht wieder meine ungeliebte Gespielin, sie quält mich, weil sie mir keinen Frieden gönnt.Den Frühling rieche ich nicht, ich stehe vor dem Spiegel und sehe dieses fremde Gesicht mit den großen dunklen Hundeaugen. Ich schließe sie, da ist Salz in meinem Mund, das ich hinunter schlucke, obgleich ich es so salzig gar nicht mag. Mein Hund beobachtet mich aufmerksam, seine Augen sind schwarz, dunkler als meine, und ich gehe in die Knie, um seine Pfote zu drücken, fester vermutlich, als von ihm gewünscht, aber er sieht mich nur an und leckt meine Hand. Er ist alt und tapfer. Sein bester Freund hat ihn verlassen, er versteht das nicht, und unbeholfen flüstere ich ihm zärtliche Worte in seine Plüschohren. Ein paar Brocken russisch, die er wieder zu erkennen scheint, was Einbildung sein mag, lassen ihn aufhorchen. Er hat sich nach der Tierklinik erholt. Plötzlich war er ein Greis geworden, der nur noch wimmerte und keine Treppe mehr kannte, jetzt schmeckt es ihm zumindest wieder und er pinkelt, wie ein Rüde eben pinkelt. Oft. Er vergißt nicht, das weiß ich, aber für ihn geht es weiter. Anders eben. Für mich ist der Himmel weniger blau geworden, ich sehe die Sterne und denke, dass die meisten längst schon tot sind. Ich habe mir Fotos angesehen, die zeigen Glück und Liebe. Das klingt kitschig, das ist nicht mein Ding. Also versuche ich es mit Vernunft. Irgendwas passiert, und niemand kann es ändern. Die Zeit zurück drehen. Eigene Fehler korrigieren. Die Zukunftspläne sind Vergangenheit. Mein Vater ist fast achtzig, für ihn war meine Sonne auch seine. Schicksal. Das ist prinzipiell Therapeuten-Job. Wird schon. Das müssen wir verarbeiten. Rückmeldung Ihrerseits? Gesprächsbedürfnis? Angelesen im ersten Semester. Auswendig gelernt. Theoretiker. Wer will sowas als Ansprechpartner, der auch nur ansatzweise kapiert? Man sollte sich nur Menschen anvertrauen , die Herz und Kopf haben. Da ist es wichtig , zu selektieren. Meine Sonne ist untergegangen. Er würde jetzt "Blad", eben Scheiße sagen. Ein Pfarrer, von dem er vermutlich nichts hätte hören wollen, sage mir, Trauerphasen kehren nach neun Monaten verstärkt zurück. Das glaube ich nur bedingt. Ich sehe jetzt in den Spiegel, und er steht neben mir. Ich sehe sein Lächeln, und ich weiß, er hätte gern noch weiter gemacht. Mit mir. Es ist Frühling, den ich immer noch nicht einatme. Ich bringe ihm Blumen und wünsche mir, dass seine Seele sich irgendwo herumtreibt, wo er sich verdammt wohlfühlt. Mit Wodka an der Wolga. Weniger Wodka, mehr Wolga. Und diese verflucht geliebte Russenseele. Schön, wenn da Gewissheit wäre. Es ist wieder Nacht. Ich schlafe nicht, ich sehe dich und den Hund, du kraulst ihn, er liebt dich. Du sagst, mich auch. Du hättest es nicht sagen müssen. Dein Blick war meiner. Er wird es immer sein. |
Karin ReddemannGottes kalte GabeEin totes Mädchen tanzt auf Gräbern und spielt Gott; Max Kellermann bekommt sein erstes gutes Gespräch und eine letzte Rose nach seinem großen Flug; Kurt dichtet über Zwerge … und Vater weint trocken, weil gestern eben gestern ist. Die Geschichten von Karin Reddemann lassen den Leser in ein Meer von Bildern und Worten tauchen, das herrlich ehrlich nach Salz schmeckt. Gottes kalte Gabe ist eine Auswahl an Short-Stories, in denen Leben passiert. Es macht manchmal atemlos, sie zu lesen.Dr. Ronald Henss Verlag, 2006 ISBN 978-3-9809336-3-6 >>> Bei Amazon |
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