"Ich weiß auch nicht genau, was ich da mache. Aber es ist gut." (T.C. Boyle)
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Irgendein Kerl und wieder mal Paula

Klingt schäbig, ist auch ein bßchen so gemeint. Weil sie selbst schuld ist an ihrer Misere. Folgende rührend bekloppte Story hat sie mir erzählt (hätte ich an ihrer Stelle mir persönlich nicht anvertraut):

Paula sitzt also in irgendeiner Kneipe auf einem Barhocker an der Theke, trinkt sich einen und vielleicht noch zwei oder drei und wartet auf ihre Freundin. Die ist im Theater, und das Stück ist wohl arg lang oder sie ist in ihrem Sitz eingepennt oder beides, auf jeden Fall kommt und kommt die Gute nicht.

Paula gerät ins Quatschen mit irgendeinem Kerl, der neben ihr hockt und auch trinkt, wohl aber nicht wartet, sondern nur so da sitzt und aussieht, als wenn er quasseln will. Gern mit einer Frau. Paula ist eine.

Paula redet und lacht relativ laut und oft, ist aber ansonsten eine prima Gesprächspartnerin, wenn man selbst zu müde ist oder grad den Mund voll hat mit Pizza. Nein, ernsthaft, sie ist schon ganz okay.Auf jeden Fall hat sie es nicht verdient, dass solch eine ungezogene Flitzpiepe wie dieser Kerl, nennen wir ihn bequem mal Paul, nach einem doch recht beachtlichen dreiviertelstündigen Gespräch aufsteht, seine Buxe im Schritt zurecht zuppelt, das letzte Glas im Stehen kippt und sagt: "Ich geh, Du bist mir zu langweilig."

Hat man sowas schon mal gehört? Sowas denkt man, sowas sagt man aber nicht. Ich wollte natürlich wissen, ob Paul eventuell einfach nur relativ besoffen war. Oder relativ dumpfbackig doof. Ich wollte auch wissen, das ist vermutlich ein Tick typisch Frau, ob Paul gut ausgesehen hat. Irgendwie finde ich solch einen Satz böser und frustrierender, wenn ihn George Clooney ausspricht und nicht Rumpelstilzchen.
Ich wollte allerdings auch wissen, da bin ich streng, ergo fair Paul gegenüber, was Paula ihm denn so alles erzählt hatte. Erzählt, ohne Frage, hat sie ihm viel, fünfundvierzig Minuten können lang sein. Um ehrlich zu sein, hätte ich es irgendwie schon verstanden, wenn Paul z.B. zu Paula gesagt hätte: "Ich geh, Du nervst." Oder: "Hör auf, gleich schrei ich."

Aber LANGWEILIG? Ich wiederhole: Sowas sagt man nicht, sowas denkt man und macht sich aus irgendeinem fadenscheinigen Grund höflich vom Acker. Dass Paula, das ansonsten gestandene Vollweib, dieser rotzigen Pappnase die Genugtuung verschafft hat, sie derart frech abservieren zu können, verdient die rote Karte: Für Paula. Wenn die nicht schnallt, dass sie im Begriff ist, unnötig Zeit mit einem Saftsack zu verschleudern, ist sie selbst schuld. Meine ich. Ergo: Kein Mitleid für Paula.

So. War nett, mal darüber zu plaudern. Und bevor ich jetzt auch so leicht langweilig werde: Ich geh, Feierabend.

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Foto: Gottes kalte Gabe

Karin Reddemann

Gottes kalte Gabe

Ein totes Mädchen tanzt auf Gräbern und spielt Gott; Max Kellermann bekommt sein erstes gutes Gespräch und eine letzte Rose nach seinem großen Flug; Kurt dichtet über Zwerge … und Vater weint trocken, weil gestern eben gestern ist. Die Geschichten von Karin Reddemann lassen den Leser in ein Meer von Bildern und Worten tauchen, das herrlich ehrlich nach Salz schmeckt. Gottes kalte Gabe ist eine Auswahl an Short-Stories, in denen Leben passiert. Es macht manchmal atemlos, sie zu lesen.

Dr. Ronald Henss Verlag, 2006
ISBN 978-3-9809336-3-6

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