"Ich weiß auch nicht genau, was ich da mache. Aber es ist gut." (T.C. Boyle)
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Blick in den Spiegel: Und?

Selbstkritik mal selbstkritisch betrachtet: Betreibe ich ungern, muss aber sein. Mein Spiegel hilft mir dabei, auch ungefragt. Braver böser Kerl, der. Er sagt mir, wenn ich alt und müde, zerknautsch und zerrupft, übellaunig und genervt aussehe. Er sagt mir auch, dass ich mir mich nicht schöner oder netter denken kann. Da hat er Recht, das sehe ich ein, auch, wenn’s schon ein bißchen weh tut.

Was er mich nicht sagt: Ob das, was ich schreibe, gut, so naja, grottenschlecht, phantastisch, langweilig, nicht der Rede wert, Nobelpreisverdächtig ist. Das kann er nicht. Das können nur Leute, die lesen, was ich auf dem Papier fabriziere bzw. in die Tasten und auf den Bildschirm haue. Niemand verbietet mir das, niemand sagt: „Große Güte, hör‘ auf damit.“ Ich selbst entscheide, wie ich was worüber weshalb wieso warum schreibe. In der Regel gefällt mir natürlich, was ich hier so mache, sonst würde ich es eben nicht machen sondern golfen oder mir die Fußnägel anmalen oder blöd gucken.

Würde ich nicht irgendeinen Sinn darin sehen, Worte aneinander zu reihen, würde ich es lassen, ganz einfach. Weiter: Würde ich diese ganzen Worte wollen, mich mit ihnen aber tierisch abrackern und quälen, würde ich es auch lassen. Weil ich einsehen müsste, dass das Schreiben nicht mein Ding ist. Soweit zur Selbstkritik, da wäre ich streng mit mir.

Aber es geht ja noch weiter. Denn wenn ich nun für mich entschieden habe, dass es sehr wohl mein Ding ist, müssen das andere noch lange nicht so sehen. Schön, man hat hier und da, auch schon mal verstärkt, gehört: Wow, gut. Aber ist das dann auch wirklich so? So WOWGUT, dass ich selbst es gar nicht anders sagen würde?

Jüngst fiel in geselliger Runde das Stichwort „Kritik am eigenen Werk“. Insgeheim übt die, denke ich mal, fast jeder, der etwas geschrieben, womöglich veröffentlicht hat und das Ganze aus der Distanz heraus nochmals betrachtet. Und dabei feststellt, dass er es hätte anders machen können. Sollen. Eben anders. Oder besser?

Ich denke da grad an ein Urzeiten zurückliegendes Spanischseminar, in dem es um eine Kurzgeschichte von Cervantes ging, die er dreißig Jahre nach der ersten Fassung noch einmal überarbeitete. Unser Dozent machte sich über die phänomenalen Unterschiede der beiden Versionen sehr viele unnütze Gedanken, denn tatsächlich waren es einfach nur zwei Geschichten zu einem gleichen Thema: Die eine geschrieben von einem 20Jährigen mit dem unverbrauchten Stil und der Lebensanschauung eines 20Jährigen, die andere geschrieben von einem 50Jährigen mit dem reifen Stil und der Lebenserfahrung eines 50Jährigen. Die Veränderungen, die Cervantes vorgenommen hatte, würde ich nicht (im Gegensatz zu Professor Willi Pedro Gomez-Schnabel oder wie er hieß) als Folge einer „Kritik am eigenen Werk“ bezeichnen. Dafür sind da einfach viel zu viele Jahre ins Land gegangen, da könnte man mir genauso gut mein hundert Jahre altes Tagebuch unter die Nase halten und mich ernsten Blickes fragen: „Was würdest Du heute anders schreiben?“

Alles.

Vermutlich im Gegensatz zu Francoise Sagan, die im etwa gleichen Alter, in dem ich pubertäre Peinlichkeiten in Comicsprache in eine Chinakladde geschmiert habe, schon „Bonjour tristesse“ sagen durfte. Welterfolg mit 18! Mag freilich sein, dass selbst sie die eine oder andere Kleinigkeit nachträglich umformuliert, geändert hätte, wer weiß. Hat keiner nach gefragt. Warum bloß nicht?


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Foto: Gottes kalte Gabe

Karin Reddemann

Gottes kalte Gabe

Ein totes Mädchen tanzt auf Gräbern und spielt Gott; Max Kellermann bekommt sein erstes gutes Gespräch und eine letzte Rose nach seinem großen Flug; Kurt dichtet über Zwerge … und Vater weint trocken, weil gestern eben gestern ist. Die Geschichten von Karin Reddemann lassen den Leser in ein Meer von Bildern und Worten tauchen, das herrlich ehrlich nach Salz schmeckt. Gottes kalte Gabe ist eine Auswahl an Short-Stories, in denen Leben passiert. Es macht manchmal atemlos, sie zu lesen.

Dr. Ronald Henss Verlag, 2006
ISBN 978-3-9809336-3-6

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